Schon vor einigen Wochen wuchs der Wunsch heran, den Werksamstag des Chors Maranatha den Menschen zu widmen, die in Wackernheim Zuflucht vor dem Krieg in der Ukraine gefunden hatten.
Die Musik ist eine Sprache, die jeder Mensch verstehen und fühlen kann und schon im Rahmen der Taizé-Friedensandacht hatte sich die Kraft gezeigt, mit der Stimmen und Klänge die Zuhörenden ungeachtet ihrer Herkunft verbunden hatte. Schnell war also klar, dass ein Lied im Zentrum der Zusammenkunft stehen sollte, das es gemeinsam auf Deutsch und Ukrainisch zu erarbeiten galt.
Doch welches Lied eignete sich dafür? Diese Frage war nur in der Ukraine zu beantworten – so die Überlegung und Susanne Pietruschka setzte alle Hebel in Bewegung. Ihre Anfrage fand ihren Weg von Wackernheim über Ludwigshafen nach Kiew, von Osnabrück nach Lwiw, über Rom zurück nach Ludwigshafen… und schließlich nach Wackernheim, wo Susanne mit Natalia Weimer zusammentraf, die die Aufnahme der geflüchteten Menschen koordiniert. Manchmal fügen sich die Dinge einfach – da fällt es schwer, an Zufälle zu glauben. Das ukrainische Volkslied „Kirschgarten fein“, welches von Liebe und Sehnsucht handelt, war schnell gefunden und fast noch schneller zauberte Chorleiter Rüdiger Schmidt einen vierstimmigen Chorsatz dazu, der nicht nur den Charakter des Liedes, sondern auch den des Chores mit allen Facetten untermalte.
Am Werksamstag selbst war die außergewöhnliche Dynamik fast greifbar: geschäftig wurden Noten, Technik und Kinderbetreuung organisiert, aber im Vordergrund stand vor allem die Gemeinschaft.
Die ukrainischen Gäste wurden herzlich in den Kreis der Sängerinnen und Sänger aufgenommen und in Kleingruppen erarbeiteten sie gemeinsam den Liedtext in den verschiedenen Sprachen.
Bleistiftkratzen, Lachen und die angestrengte Wiederholung ungewohnter Laute erfüllten jede Ecke von Kirche und Emmaus-Saal. Hatten die Sängerinnen dieses Wort richtig ausgesprochen? Neben der Lautschrift der kyrillischen Buchstaben war der sicherste Indikator hierfür der Gesichtsausdruck der geduldigen ukrainischen Lehrerinnen. In der gemeinsamen Probe wurde den Worten schließlich durch die Klänge von Stimmen, Violine und Klavier Gefühl eingehaucht und die Freude und Motivation, aber auch die Konzentration war von den Gesichtern abzulesen. Das Gefühl, das diesen Probentag begleitete, war einzigartig schön – viel zu schön, um es nicht mit anderen Menschen zu teilen. So fand der Probentag seinen Höhepunkt in einer professionellen Bild- und Tonaufnahme beider Sprachvarianten, die nicht nur den außergewöhnlichen Tag dokumentiert, sondern als Inhalt in den sozialen Netzwerken vielleicht auch ein Stückchen Hoffnung schenkt.
Doch Maranatha wäre nicht Maranatha, wenn der Chor seine Gäste nach getaner Arbeit mit leerem Magen entlassen hätte; im Rahmen eines gemeinsamen Mittagessens – die Tische bogen sich fast unter dem Gewicht von Eintöpfen, Aufläufen und Salaten – wurden die Strahlen der Frühlingssonne genossen und der Hof war erfüllt von Klängen: Geschichten auf Deutsch, Ukrainisch, Russisch, Englisch wurden ausgetauscht, aber vor allem das Summen und Pfeifen der melancholischen Melodie war noch lange zu hören.